Sommerzeit = PV-Zeit?
Führt die Zeitumstellung zu höherer Eigennutzung?
Am 31. 3. 2024 um 2 Uhr bzw. 3 Uhr morgens war es wieder einmal so weit: Die Uhren werden eine Stunde vorgestellt, die Sommerzeit bricht an – und mit ihr steigt nachgewiesenermaßen unser Stresslevel. Das zeigen Messungen des Stresshormons Cortisol, aber auch das steigende Herzinfarktrisiko in der Zeit nach der Umstellung.
Da stellt man sich schnell mal die Frage (vermutlich, während man die Schubladen nach den Bedienungsanleitungen für die Uhren an Herden, Mikrowellen und Radioweckern durchsucht oder vom Notarzt abtransportiert wird): Lohnt sich der Irrsinn überhaupt? Erfüllt sich, was dem Gesetzgeber bei der Einführung vorschwebte: Nutzen wir das Tageslicht besser?
Nun, in gewisser Hinsicht haben viele von uns ein passendes Messgerät dafür auf dem Dach: eine PV-Anlage. Und vielleicht habt ihr euch schon mal darüber geärgert, dass ihr ohne einen ausreichend dimensionierten Speicher den tagsüber erzeugten Strom nicht richtig nutzen könnt – da ihr nicht zu Hause seid.
Doch mit der Sommerzeit verschiebt sich das Tageslicht um eine Stunde nach hinten – in Richtung unserer zu Hause verbrachten Zeit. Können wir allein damit den Output unserer PV-Anlage besser nutzen? STROMDAO-COO Thorsten Zoerner hat sich dazu die Daten seines eigenen Hauses einmal näher angesehen.
Eine ganz kurze Geschichte der Sommerzeit
Schon Benjamin Franklin mahnte an, mal solle das Tageslicht besser nutzen und auf allzu exzessives Nachtleben verzichten. „Wer früh zu Bett geht, früh erwacht“, so legt man ihm in deutscher Übersetzung gerne in den Mund, „hat es im Leben weit gebracht.“
Ende des 19. Jahrhunderts folgte dann die Erkenntnis, dass sich der Mensch eher nach der Uhr richte (so er denn eine zur Verfügung habe) als nach dem natürlichen Tageslicht. Entsprechend regte der Insektenforscher George Vernon Hudson bereits 1895 eine saisonale Zeitumstellung an.
Doch die Hürden, die in einem nicht gerade besonders friedlichen Europa zu nehmen gewesen wären, waren hoch, hätten doch die Länder mit und ohne Zeitumstellung ihren grenzüberschreitenden Verkehr darauf umstellen müssen. Und so geriet die Idee bald wieder in Vergessenheit.
Bis zum Ersten Weltkrieg: Um die Materialschlachten dieses Krieges möglich zu machen und das Tageslicht im Felde und in der Produktion besser zu nutzen, führte das Deutsche Reich 1916 eine Sommerzeit ein. Die Kriegsgegner Frankreich und Großbritannien zogen noch im selben Jahr nach. In der Zeit nach dem Krieg wurde die Sommerzeit in Deutschland abgeschafft, in Großbritannien vorerst beibehalten, in Frankreich 1922 abgeschafft, dann 1923 wieder eingeführt. Andere Länder experimentierten damit; die Sowjetunion stellte gar 1930 ihre Uhren um eine Stunde vor – ohne sie jemals wieder zurückzustellen.
In den USA wird die Sommerzeit bis heute regional geregelt: Und so kann es passieren, dass man von County zu County mit einer Zeitumstellung konfrontiert wird. Der spätere Oscar-Preisträger Aaron Sorkin machte daraus übrigens in seiner Serie „The West Wing“ einen amüsanten Plotpoint:
Nun denn, 1973 kam die Ölkrise, man beschloss als eine der Maßnahmen dagegen eine europaweite Einführung der Sommerzeit. Und so wurden am 6. April 1980 zum ersten Mal die Uhren umgestellt. Später einigte man sich dann zunächst auf die letzten Sonntage im März und im September. 1996 verschob man dann das Ende der Sommerzeit auf den letzten Sonntag im Oktober.
Dabei ist es seither geblieben.
Sommerzeit – und kein Ende?
„Aber, Moment“, werden jetzt einige rufen, „sollte die Sommerzeit nicht abgeschafft werden? Gab es dazu nicht einen europäischen Beschluss?“
Ja, den gab es in der Tat: Bereits 2021 hätte die Zeit zum letzten Male umgestellt werden sollen. Danach hätten die einzelnen Staaten ihre eigene Regelung treffen müssen. Doch das Thema hat jenseits von Deutschland nicht gerade hohe Priorität. Außerdem ist man natürlich bemüht, einen europäischen Flickenteppich der Zeitzonen zu vermeiden.
Doch auch in Deutschland ist der richtige Ausweg aus der Sommerzeit umstritten: Die einen – etwa in Handel und Gastgewerbe – hätten die Sommerzeit gerne als permanente Zeit; die anderen – darunter zahlreiche Unternehmen aus dem Energiesektor und der Deutsche Lehrerverband – präferieren die Winter- bzw. Normalzeit.
Wir sollten also davon ausgehen, dass es noch eine Weile dauern kann, bis hier eine Regelung gefunden wird. Und man kann sich jetzt schon auf die Sommer- und Winterzeit-Wutbürger freuen, die diese Regelung nicht anerkennen und „zeitbefreite Zonen“ ausrufen.
Doch schauen wir einmal, ob die Sommerzeit wirklich hält, was die zwei klassischen Argumente dafür versprechen: Nutzen wir dank der Zeitumstellung das Tageslicht besser? Und sparen wir Energie?
Das Tageslicht besser nutzen?
In der Tat: Viele Arbeitnehmer mit einem regulären Arbeitsprofil (aka 9to5) profitieren in ihrer Freizeitgestaltung von den längeren Sonnenstunden am Abend, während sie bei ihrer Arbeit (etwa im Büro oder in der Fertigung) nicht unbedingt auf Tageslicht angewiesen sind – auch wenn natürliches Licht die Leistungsfähigkeit und Produktivität steigert.
Noch stärker profitieren Länder mit heißen Sommern: Gerade in südlicheren Gefilden wie Italien oder Spanien ist es im Laufe des Tages oft so heiß, dass Arbeit kaum mehr möglich ist und es Zeit für die Siesta wird. Dieser Temperatur-Peak verschiebt sich mit der Sommerzeit um eine Stunde nach hinten, der kühlere Morgen/Vormittag kann noch besser genutzt werden.
Warum fangen dann die betroffenen Betriebe nicht einfach eine Stunde früher mit der Arbeit an, anstatt dass die Uhren für alle umgestellt werden? Nun, das hätte massive Auswirkungen auf den Verkehr, die Lieferketten müssten regelmäßig neu abgestimmt werden und Menschen an der Schnittstelle (etwa Eltern mit Kindern, die nach regulärer Zeit zur Schule gehen) bekämen Probleme mit ihrem Tagesablauf. Eine gemeinsame Zeit vermeidet unnötiges Chaos.
Ein weiterer Profiteur ist die Freizeit- und Tourismusindustrie: Wenn es abends später dunkel wird, nützt das nicht nur den Freizeitaktivitäten im Freien. Reiseziele gewinnen an Attraktivität, schläft man im Urlaub doch gerne morgens aus und genießt nachmittags die Sonne am Strand.
Es gibt aber auch gute Gegenargumente: So ist etwa nicht jede berufliche Tätigkeit tageslichtunabhängig. Spätestens bei allen Arbeiten im Freien – etwa in der Bauindustrie – spielt das Tageslicht eine entscheidende Rolle. So müssen Bauunternehmer ihren Arbeitsbeginn möglicherweise noch mal nach hinten verschieben, da das Licht morgens noch nicht ausreicht. Das hätte wiederum großen Einfluss auf das Arbeitszeitende und damit auf die Freizeit der Werktätigen. Alternativ müsste für Beleuchtung gesorgt werden: Wer schon mal eine Nachtbaustelle auf der Autobahn gesehen hat, weiß, was das für ein Aufwand ist. Und gut für den Energieverbrauch ist das sicher auch nicht.
Auch für Schüler, deren Körper noch im Wachstum begriffen und daher entsprechend empfindlich für Änderungen ist, ist die Zeitumstellung alles andere als ideal. Wir neigen in Deutschland ohnehin dazu, die Schüler viel zu früh in die Schule zu schicken. Den Schulanfang durch die Sommerzeit noch weiter in die gefühlte Nacht zu pushen, grenzt fast schon an Folter. Lernfördernd ist das jedenfalls nicht.
Nun gut, das sind Nachteile, mit denen wir leben können (wir tun das ja seit mehr als 40 Jahren). Doch wie sieht es mit dem Energieverbrauch aus?
Der Mythos der energiesparenden Sommerzeit
Kaum ein Argument für die Sommerzeit hält sich so hartnäckig wie die vorgeblich positiven Auswirkungen auf den Energieverbrauch. Doch dieses Argument ist in einer Vielzahl von Studien widerlegt worden, die Ergebnisse von einer mageren Ersparnis von einem Prozent bis hin zu einem Mehrverbrauch – allerdings ebenfalls nur von wenigen Prozent – zeigten. Dies ist übrigens nicht gerade eine neue oder revolutionäre Erkenntnis. Wie die Wikipedia weiß (wenn auch bezogen auf den Gasverbrauch):
Schon im Herbst 1916 wies der Leiter eines kommunalen Energieunternehmens darauf hin, dass der Gasverbrauch nicht nur von der Sommerzeit abhängig sei, sondern ebenso von folgenden Faktoren: „Einschränkung der öffentlichen Beleuchtung, kühle und nasse Witterung, Rückgang des geschäftlichen Lebens, früherer Geschäftsschluss, Beschränkung der Industrie, schlechte wirtschaftliche Lage, Vereinfachung des Küchenbetriebes infolge der Lebensmittelverteuerung und des Mangels an langkochenden Lebensmitteln (Fleisch), Betriebseinschränkungen bei Bäckern und Fleischern, Verminderung des Fremdenverkehrs, Einführung von Münzgasmessern.“
Ähnliches – wenn auch bezogen auf Elektrizität – gilt auch heute. Man kann sich das veranschaulichen, wenn man einfach mal bedenkt, dass wir ja unseren Tagesablauf mit dem Beginn der Sommerzeit nicht ändern: Wir stehen morgens auf, machen Frühstück, gehen zur Arbeit, kommen heim, kümmern uns um die Hausarbeit, kochen, genießen die verbleibende Freizeit und gehen wieder ins Bett. All das verschiebt sich mit der Sommerzeit lediglich um eine Stunde. Zudem sind die Großverbraucher im Haushalt wie Kühlung, Klimatisierung, Herde, Backröhren etc. tageslichtunabhängig. Einzig bei der Beleuchtung gäbe es vielleicht ein Einsparungspotenzial, wenn wir abends später das Licht anmachen müssen. Doch das gleicht sich eventuell mit der notwendigen Beleuchtung am Morgen wieder aus. Und selbst ohne das: Dank energiesparender Lichttechnik ist das Einsparpotenzial hier eher gering.
In der Wirtschaft gilt das Gleiche – in noch größerem Maßstab: Die Prozesse verschieben sich, ändern sich aber nicht grundsätzlich.
Doch:
Was passiert, wenn die Erzeugung mit in den Ring steigt?
Mehr und mehr Menschen erzeugen mittels PV einen Teil ihres Energiebedarfs selbst. Dabei produzieren sie oft theoretisch genug für den Eigenbedarf – oder sogar mehr. Allein: Der Strom wird nicht immer erzeugt, wenn er gebraucht wird, im Gegenteil. Tagsüber, wenn wir bei der Arbeit sind und entsprechend daheim weniger Energie verbrauchen, ist die Ausbeute am höchsten; der Überschuss wird (gegen eine stetig geringer werdende Vergütung) ins Netz eingespeist. Morgens und abends hingegen, wenn wir daheim sind, liegt die Erzeugung unter dem Verbrauch. Und wir müssen den Strom teuer „zurückkaufen“.
Da liegt die These nahe, dass wir zumindest im Privatbereich durch mehr Tageslicht am Abend unsere Erzeugung besser nutzen können sollten, denn wir verbrauchen ja in den Nachmittags- und Abendstunden auch mehr Energie. Wir sollten also von der Sommerzeit profitieren.
Doch stimmt das? Dazu hat STROMDAO-COO Thorsten Zoerner mal in seine eigenen Daten geschaut.
Der Blick in die Daten
Der Versuchsaufbau: Welche Daten sollen wir nutzen?
Nun, ideal wäre, wenn wir die Normalfamilie Meier (zwei Kinder, beide Eltern berufstätig) samt ihres PV-bestückten Hauses zweifach klonen, die drei Häuser nebeneinanderstellen und beide Familien dann ein Jahr (oder sogar mehrere Jahre) beobachten würden, wobei die Familie Meier die Zeitumstellung mitmacht, die Familie Meier-Klon I nach permanenter Winterzeit lebt und die Familie Meier-Klon II nach permanenter Sommerzeit. Doch das ist natürlich allenfalls ein Gedankenspiel.
Auch ist es wenig sinnvoll, etwa einen Sommertag und einen Wintertag miteinander zu vergleichen. Natürlich weichen hier Verbrauch und Erzeugung voneinander ab. Zudem wissen wir somit noch nicht, wie der Sommertag zur Normalzeit aussehen würde.
Thorsten hat deswegen zwei Märztage mit weitgehend identischer Wetterlage und einem weitgehend identischen Verbrauchsprofil ausgewählt. Es gibt zwischen den Tagen nur einen wesentlichen Unterschied: An einem Tag gilt Winterzeit, am anderen die Sommerzeit. Aus technischen Gründen rechnet er dabei in „Zoerner-Units“ (ZU) statt in kWh.
Erzeugung vs. Verbrauch
Wie zu erwarten, zeigt sich der Verbrauch an beiden Tagen in Hinblick auf die geltende Tageszeit praktisch identisch (h0_dyn). Bei der Erzeugung durch die PV sehen wir praktisch parallel verlaufende Kurven – jedoch um die zu erwartende eine Stunde verschoben. Man sieht schon: Zumindest an diesen beiden Tagen erreichen die Erzeugungskurven nicht den Peak um 19:30 Uhr.
Und auf den ersten Blick lässt sich auch nur schwer abschätzen, welche der beiden Tage in Sachen Eigennutzung nun die Nase vorn hat.
Eigennutzung Sommer- vs. Winterzeit
Schauen wir uns also die Eigennutzung mal getrennt an.
Am Tag mit der Winterzeit:
Und am Tag mit der Sommerzeit:
Noch immer ist die Abschätzung schwierig. Wir müssen also die Gesamtsummen betrachten. Für die Mathematiker: Welche Fläche ist größer (= mehr Eigenverbrauch)? Die unter der violetten oder die unter der türkisen Kurve?
Und das Bild wird auch nicht klarer, wenn man beide Kurven übereinanderlegt:
Ein Mathematiker würde sich jetzt vermutlich fragen: Welche Fläche ist größer? Die von der violetten und der türkisen Kurve begrenzte Fläche auf der linken Seite oder die von der türkisen und der violetten Kurve begrenzte Fläche auf der rechten Seite?
Doch keine Panik, jetzt kommt kein Exkurs in die Integralrechnung. Thorsten hat die Zahlen des jeweiligen Eigengebrauchs einfach mal aufaddiert:
Winterzeit Eigenverbrauch PV: 276.819 Zoerner-Units
Sommerzeit Eigenverbrauch PV: 272.392 Zoerner-Units
Diese Werte waren für uns in der Tat eine Überraschung, da der Eigenverbrauch zur Sommerzeit unter dem der Winterzeit lag – und zwar um 4.427 Zoerner Units oder knapp 1,6 %.
Fazit
Nun war unser Datenvergleich tendenziell anekdotisch und man könnte sicher darüber streiten, ob die Abweichung von knapp 1.6 % überhaupt signifikant zu nennen wäre. Allerdings war die Ausgangsfrage ja, ob die Sommerzeit eine bessere Eigennutzung der Heim-PV-Anlage ermöglicht. Und dafür finden wir hier keinerlei Evidenz. Im Gegenteil: Allein von unserer anekdotischen Datenbetrachtung her schlüge das Zünglein an der Waage eher in Richtung Abschaffung der Sommerzeit. Dafür sprechen auch die mit den regelmäßigen Zeitumstellungen verbundenen Probleme, Risiken und Kosten: Es ist ja nicht nur ein Bauchgefühl, dass uns die Sommerzeit – wie es der Dichter Eric Malpass einmal überspitzt formulierte – „Nacht für Nacht eine Stunde Schlaf raubt, die wir dann zu Beginn des Winters nur ein einziges Mal zurückbekommen.“
Das ist zumindest unsere Schlussfolgerung. Für diejenigen die ihre Erzeugung und ihren Verbrauch genau im Blick haben: Jetzt seid ihr am Zug. Wie sind eure Erfahrungen? Profitiert ihr von der Sommerzeit? Schaut doch auch mal in eure Daten! Und lasst uns das Ergebnis wissen.
Die gute Nachricht zum Schluss
Nun, Zeitumstellung hin oder her: Die Eigennutzung der PV-Anlage lässt sich in der Tat steigern – zum einen durch das Aufrüsten mit einem ausreichend dimensionierten Speicher (der sich allen Unkenrufen zum Trotz aktuell noch lohnt). Zum anderen durch ein aktives Energiemanagement, das euch nicht nur die richtigen Nudges („Wirf die Waschmaschine an, denn die Sonne scheint mit Fun!“), sondern auch durch Automatisierung der Verbrauchssteuerung dabei hilft, die Asynchronität von Erzeugung und Verbrauch auszugleichen. Und wie es der Zufall will, gehört beides – Speicher und Energiemanagement – zu unserem Kerngeschäft. Nehmt also einfach Kontakt mit uns auf. Wir beraten euch gerne.