Sicher kommunizieren: AS4 für Strommarkt ab 2024 verpflichtend

Ab 01. April 2024 müssen Nachrichten zur Strommarktkommunikation im AS4-Standard erfolgen – ausnahmslos. Es bleiben 20 Monate für die Umstellung. Ist das realistisch – mitten in der Energiekrise?

Was ist „AS4“?

AS4 ist eine B2B-Schnittstelle zum Austausch von Daten und Dokumenten zwischen Handelspartnern, entwickelt von OASIS (Organization for the Advancement of Structured Information Standards). Das Komitee hat einheitliche Leitlinien formuliert, die einen sicheren Austausch in der B2B-Kommunikation (B2B = Business to Business) unter Verwendung von Webservices ermöglichen sollen. Das Ergebnis dieser Arbeit ist das Nutzungsprofil „Applicability Statement 4“, kurz AS4 – ein offener internationaler Standard, der 2007 entwickelt wurde und u. a. bereits von der Automobilbranche erfolgreich eingesetzt wird. Jetzt soll er nach dem Willen der Bundesnetzagentur im deutschen Strommarkt die Kommunikation unter den Marktteilnehmern sicherer und komfortabler werden lassen.  

Ein Stadtwerk – zwei Millionen E-Mails täglich 

Aktuell kommunizieren Marktteilnehmer in Deutschland per E-Mail und Textanhang. Ein Stadtwerk mittlerer Größe mit rund 200.000 Kunden verschickt im Rahmen seiner Marktkommunikation täglich rund zwei Millionen E-Mails. Dafür einen neuen Service aufzusetzen, der 365 Tage im Jahr 24 Stunden sicher und zuverlässig arbeitet, ist nicht ganz trivial – zumal die Umstellung zusätzlich zum normalen Betrieb erfolgen muss.

Projektpläne in 6 Monaten

Bis zum 01. Februar 2023 sollen alle beteiligten Unternehmen in der Energiewirtschaft einen Projektplan für die AS4-Umstellung entwickelt haben. „Die Umstellung ist zwar kein Hexenwerk – der Standard AS4 ist ein offener Standard, der in anderen Branchen bereits intensiv genutzt wird. Trotzdem aber müssen sich Unternehmen in das Thema einarbeiten. Und das braucht Zeit und Schulung“, erklärt Thorsten Zoerner, dessen Unternehmen zwar AS4 Schulungen anbietet, der den vorgegebenen Zeitrahmen aber als „sportlich“ bezeichnet. 

AS4 für Komfort und Sicherheit

E-Mail-Kommunikation ist rudimentär: Absender haben keine Kenntnis davon, ob E-Mails geöffnet wurden, Anhänge bei der Zieladresse angekommen sind und ob diese geöffnet oder Anweisungen ausgeführt wurden. In einem sensiblen und systemrelevanten Versorgungssystem gibt es bessere Methoden der Kommunikation. Mit AS4 werden separate Eingangsbestätigungen für den Übertragungsweg bereitgestellt – die sogenannte Non-Repudiation-Receipt, kurz NRR. Sie ist z. B. eine eindeutige Bestätigung, dass der Kommunikationsweg – und nur dieser – erfolgreich war. Es wird weitere Benachrichtigungen geben, ob Anhänge geliefert wurden und ob diese geöffnet, bzw. verarbeitet worden sind. Außerdem gelten für AS4 befristete Zertifikate für die Kommunikation, die regelmäßig erneuert werden müssen – ähnlich der SSL-Zertifizierung von Websites. Eine zusätzliche Sicherheitseinrichtung gegen Hackerangriffe.

AS4 in 20 Monaten

Von August 2022 bis 01. April 24 stehen den Marktteilnehmern noch 20 Monate für Einarbeitung, Prozessentwicklung, Aufsetzen der AS4-Struktur im eigenen Unternehmen sowie Kontaktaufnahme und Abstimmung mit den Partnern im Markt zur Verfügung – Testphasen und die finale Umstellung vom alten auf das neue Kommunikationssystem inklusive. Die AS4-Einführung wurde von der Bundesnetzagentur in drei Abschnitte aufgeteilt:
1. Die erste Phase ist die Planungsphase – sie läuft von Juli bis Dezember 2022.
2. Die Test- und Umsetzungsphase ist für Dezember 2022 bis zum 01. Oktober 2023 vorgesehen.
3. Übergangsphase und Parallelbetrieb sollen vom 01.10. 2023 bis zum 01.04.2024. 
Danach muss alles funktionieren wie am Schnürchen – viel Spielraum für Fehler gibt es nicht- Nach dem 01.04.2022 gibt es kein Zurück, sagt die Bundesnetzagentur.

Hintergründe für die AS4-Umstellung 

Die Stromerzeugung in der Energiewende wird zu einem großen Teil regional, dezentral und volatil, also wetterabhängig sein. Weil das so ist, braucht zuverlässige Versorgung mit 100 % erneuerbaren Energien viele Daten und ein sicheres System für intensiven Datenaustausch zwischen Erzeugern, Netzen und Verbrauchern. „Die bisherige Kommunikation mit E-Mail und Anhang hatte viele Lücken. Die Tiefe der Kommunikation wird mit AS4 in wesentlichen Punkten gesteigert, und ebenso die Sicherheit – sowohl im Innenverhältnis zwischen den Markt-Teilnehmern als auch gegenüber Angriffen von außen“, erklärt Thorsten Zoerner. „Der deutsche Strommarkt braucht bessere digitale Systeme. AS4 ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Ein weiterer ist der Smart-Meter-Rollout, der leider gerade ins Stocken geraten ist. Digitalisierung ist wesentliches Element für den Erfolg der Energiewende. Wir unterstützen Unternehmen bei der Umstellung auf den neuen Standard, wo wir können“.

Rebekka Mutschler