Gut gemeint oder gut gemacht?

Die Strompreisbremse in der Debatte

Die von der Bundesregierung beschlossene Strompreisbremse soll ab Januar 2023 den Strompreis senken, Verbraucher und Unternehmen schützen, die Inflation verringern und gleichzeitig Anreize zum Energiesparen setzen. Doch leistet das angedachte Verfahren das auch wirklich? Wie wird es finanziert? Wer profitiert am Ende am stärksten, wer am wenigsten?

Wie funktioniert die geplante Strompreisbremse?

Die Strompreisbremse ist denkbar einfach gestaltet: Ab Januar 2023 wird der Strompreis für private Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen bei 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt – allerdings nur für den Basisbedarf von 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Für Industriekunden liegt der Deckel bei 13 Cent/kWh für 70 Prozent des historischen Verbrauchs. Die Abrechnung und Umsetzung liegt dabei in der Hand der Stromanbieter, um unnötig komplizierte Zahlungsflüsse (etwa: Kunde zahlt mehr als 40 Cent/kWh und kriegt die Differenz dann über die Steuererklärung erstattet) zu vermeiden.

Wie wird die Strompreisbremse finanziert?

Bemerkenswert ist, dass die Strompreisbremse (anders als beispielsweise der Gasabschlag, den die Bundesregierung im Dezember 2022 zu zahlen gedenkt) kein Subventionsinstrument ist. Die Finanzierung liegt bei den Stromanbietern, die wiederum mit den Stromerzeugern und Netzbetreibern kooperieren müssen.

Ein wesentlicher Grund dieser Form der Finanzierung ist, die Zufalls- und Übergewinne, die die Energiebranche in letzter Zeit eingefahren hat, zumindest teilweise abzuschöpfen und an die Verbraucher zurückzugeben. Und das ist bereits das erste Ziel der Strompreisbremse.

Welche Ziele verfolgt die Strompreisbremse?

Es geht natürlich nicht nur darum, die Energiebranche stärker an die Kandare zu nehmen. In erster Linie soll durch eine Deckelung des Strompreises die aktuell, wenn schon nicht galoppierende, so doch zumindest trabende Inflation eingehegt werden. Das ist ein durchaus sinnvoller Ansatz, denn viele der Preisanstiege der letzten Zeit hängen an den steigenden Energiekosten und ihren Folgen für Herstellung und Transport.

Darüber hinaus sollen natürlich auch die Verbraucher entlastet werden – allen voran der sprichwörtliche „kleine Mann“ der unteren Einkommensschichten, in denen Energiekosten einen immer größer werdenden Teil des Einkommens auffressen.

Und nicht zuletzt erhofft sich die Bundesregierung einen weiteren Hebel zum Stromsparen, denn die Strompreisbremse gilt bei Privatverbrauchern nur für 80 Prozent der Vorjahresausgaben.

Werden diese Ziele auch erreicht?

Nun ist es schwierig, ohne Kristallkugel in die Zukunft zu schauen. Aktuell möchte man sich jedoch den Zynikern anschließen und sagen: Die Strompreisbremse setzt in Sachen Inflation und Einsparung eher auf das „Prinzip Hoffnung“. Doch warten wir es ab. In Hinblick auf die Inflation ist diese Maßnahme, die ja noch von einigen anderen flankiert wird, zumindest besser als nichts.

Doch werden die Verbraucher – allen voran der „kleine Mann“ – wirklich entlastet? Diese Behauptung ist zumindest eine Übertreibung, wenn nicht gar ein Etikettenschwindel: Stand November, liegt der durchschnittliche Strompreis für das Jahr 2022 (dem Bezugsjahr für die Strompreisbremse) bei 37,14 Cent/kWh, Tendenz allerdings steigend: Betrachtet man den November 2022 allein, liegt der Durchschnittspreis schon etwa bei 43 Cent/kWh.

Von einer echten Entlastung kann man daher nur sprechen, wenn man den 2023 gültigen Strompreis ohne Strompreisbremse zugrunde legt. Im Vergleich zu den Kosten von 2022 (und das ist die Differenz, die die Verbraucher wahrnehmen werden) kann man also maximal von einem Einfrieren der Kosten sprechen – es wäre aber wohl fairer zu sagen, dass dank der Strompreisbremse die Mehrbelastungen geringer ausfallen. Nur ist wohl „Dank der Strompreisbremse werdet ihr nicht ganz so gebeutelt wie gedacht“ kein guter politischer Slogan.

Hinzu kommt: Es lässt sich nur schwer prognostizieren, wie sich der Preis für die Kilowattstunde jenseits der gedeckelten 80 Prozent entwickeln wird. Stromanbieter sind nicht unbedingt die Stromerzeuger (oder gar die Lieferanten von Rohstoffen wie Gas oder Öl). Sie müssen den Strom auf dem Markt einkaufen und sind dabei gehalten, zumindest kostendeckend zu arbeiten. Es ist also durchaus möglich und wahrscheinlich, dass sie ihre Mehrkosten dann später zumindest teilweise auf den ungedeckelten Strompreis aufschlagen.

Wer profitiert von der Strompreisbremse?

Es ist keine neue Erkenntnis, dass der Stromverbrauch in Relation zum Haushaltseinkommen zunimmt. Dieses Dokumentbeschreibt die Situation von 2013, wir können jedoch annehmen, dass die Abstände dank der zunehmenden E-Mobilität vom Auto bis hinunter zum kleinen Roller noch gewachsen sind.

Von der Preisschranke profitieren Gutverdienende also am stärksten, die geringeren Einkommen am wenigsten. Hinzu kommt, dass viele Gutverdienende den Strompreis schlicht nicht auf dem Schirm haben. Allzu viele Haushalte aus dieser Einkommensklasse verzichten auch deshalb auf die Möglichkeiten zum Energiesparen oder der eigenen Energieerzeugung etwa über PV oder Erdwärme, entweder weil man die Kosten und den Aufwand des Umbaus der eigenen vier Wände scheut – oder weil „Solarzellen auf dem Dach mit den echten Terracotta-Ziegeln aus der Toscana so hässlich aussehen“. Solch ein Statement ist überspitzte Satire? Wir wünschten, es wäre so.

Kurz gesagt: Die privaten Großverbraucher, die sich bisher nicht ums Energiesparen bemüht haben, werden belohnt. Es steht nur zu hoffen (auch wenn es nicht wahrscheinlich ist), dass bei ihnen wenigstens jetzt der Hebel zum Energiesparen greift.

Wer profitiert nicht oder nur wenig?

Dieser Vorteil wenig umweltbewusster, aber gutverdienender Haushalte ist gleich für zwei Personengruppen ein Schlag ins Gesicht:

Da sind zum einen natürlich jene, die bereits in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten alles darangesetzt haben, ihren Ressourcenverbrauch zu senken und/oder ihren eigenen Strom über erneuerbare Energien erzeugen – zumindest zu einem großen Teil. Sie haben nur noch wenig Einsparpotenzial mehr. Und doch gilt die 80%-Regel auch für sie.

Die zweite Gruppe rekrutiert sich aus den unteren Einkommensbereichen, und umfasst insbesondere jene, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind: Sie nähen ihr Budget schon seit Jahren auf Kante. Elektromobilität? Fehlanzeige! Geld für energiesparende Großgeräte? Träumt weiter! In ihren Ohren müssen sich die tollen Ratschläge, die gerade durch die Medien geistern („Weniger heizen! Öfter man einen Pullover in der Wohnung! Duschen statt Baden – und zwar nur jeden zweiten Tag!“) wie blanker Hohn anhören, bekommen sie solche „Tipps“ und Verhaltensregeln doch schon seit Jahren von selbsternannten „Sozialpolitikern“ um die Ohren gehauen. Diese Gruppe wird sich noch stärker einschränken müssen als bisher – einfach, damit ihre Wohnung nicht ganz kalt und dunkel bleibt.

Im Extremfall werden diese Gruppen, die bereits Energie sparen (weil sie es können oder weil sie es müssen), zudem einen überproportionalen Teil der Zeche zahlen und sich gegebenenfalls einschränken. Denn die gutverdienenden Großverbraucher können entweder den nicht im Preis gedeckelten Strom doch noch einsparen – oder sie haben, anders als etwa der sprichwörtliche „kleine Mann“, die Ressourcen, die Mehrkosten einfach zu zahlen.


Strompreisbremse – ein Fazit

Der englische Autor Douglas Adams hat mal sinngemäß gesagt, dass es für jedes Problem eine Lösung gibt, die einfach, klar und falsch ist. Die Strompreisbremse ist einfach und klar, sie kommt ohne viel unnötige Bürokratie und Datenerhebung aus (die Jahresverbräuche sind den Stromanbietern bekannt). Ist sie auch falsch? Das ist sicher ein zu harsches Urteil. Doch wird sie wirklich die erhoffte Wirkung in vollem Umfang entfalten? Möglich ist es, aber nicht sehr wahrscheinlich, da diese Maßnahme die eigentliche Ursache der hohen Strompreise nur bedingt interessiert. Genauer: überhaupt nicht.